Ich habe mich mal über das aktuelle Warhammer Fantasy Rollenspiel schlau gemacht.
Ich bin wieder fasziniert (das letzte Mal hatte ich Anfang der 90er damit Kontakt)! Eine spannende Spielwelt und interessante Regeln in der dritten Auflage, die vieles enthalten, was ich mir als ideales System vorgestellt habe.
Die Warhammer-Welt ist düster und dreckig. Es gibt keine strahlenden Helden, kein klares Gut und Böse. Magie ist gefährlich. Das Chaos lauert überall. Und das Imperium (modelliert nach dem heiligen römischen Reich deutscher Nation um 1500) erzittert unter dem Ansturm äußerer und innerer Feinde.
Ein zweischweifiger Komet ist am Himmel erschienen und für einige ist dies das Zeichen des Untergangs der Welt. Ein großer Krieg steht bevor. Eine Zeit des Wandels beginnt, das meinen selbst die, die den Kometen als gutes Omen verstehen. Und mittendrin die Charaktere; eher normale Menschen denn Superhelden. Aber vielleicht können sie die Welt ein kleines bisschen besser machen. Denn einer muss es ja tun. Und das ist, was einen echten Helden auszeichnet.
Das Rollenspiel erschien 1986. Es teilt sich den Spielhintergrund mit dem gleichnamigen Tabletop-Spiel von 1983. Die aktuelle dritte Auflage erschien 2009 bei Fantasy Flight Games (FFG) als große Box für $99.
Mit der Box (Straßenpreis 74€) brach FFG mit der traditionellen Form von Rollenspielen in Buchform und liefert über 300 Spielkarten und Marker zusammen mit 4 Regelheften und speziellen Würfeln. Ziel war ein System, das mit alten Konzepten brach, um einfach erlernbar und zugänglich für Neulinge zu sein.
Da nicht alle Fans die “Brettspiel-Elemente” gut fanden und lieber bei der zweiten Auflage blieben, hat FFG die Form inzwischen in 3 traditionelle Bücher (für Spieler, Meister, Monster) geändert und Karten und Marker als optional (aber empfohlen) erklärt. Billiger ist das Spiel dadurch allerdings nicht geworden: 98€ Bücher plus 94€ Karten+Marker plus 33€ Würfel.
Die Buch-Version gibt es auch auf Deutsch - der Preis ist etwa der gleiche. Da die Lizenz mit FFG aber regelt, dass deutsche Ausgaben aller anderen Bücher immer nur mit einem Reprint der US-Version erscheinen dürfen, muss der Heidelberger Spieleverlag bei allen anderen Produkten noch warten, bis die erste US-Charge abverkauft ist.
Daher werden auf absehbare Zeit keine Abenteuer auf deutsch erscheinen, was sehr schade ist.
Das Würfelsystem ist ungewöhnlich und interessant. Es gibt W6, W8 und W10, die mit Symbolen für Erfolge, Misserfolge, Vorteile, Nachteile, Patzer und spezielle Erfolge bedruckt sind. Man nimmt mehrere Würfel basierend auf Attributen, Situation und Schwierigkeit und ein Wurf entscheidet darüber, ob und wie gut eine Aktion geklappt hat und regelt positive oder negative Nebeneffekte, die dann in die Erzählung integriert werden können. Die Regeln machen eine Art Wissenschaft daraus, wie das Ergebnis am besten zu interpretieren ist.
FFG bietet übrigens für 2,39€ eine iPhone App zum Würfeln an. Irgendwer hat auch eine für 0,79€ programmiert, die IMHO besser aussieht. Es kann aber nicht schwer sein, eine eigene zu schreiben :)
Die Charaktererschaffung scheint relativ einfach zu sein, was mir gut gefällt. Man kann Elf, Mensch oder Zwerg spielen. Spielt man mit Karten, zielt man drei Karrierekarten und wählt aus. Ohne Karten muss man auf eine Tabelle würfeln. Das definiert die Grundwerte. Danach verteilt man Punkte auf 6 Attribute (Strength, Toughness, Agility, Intelligence, Willpower, Fellowship) und kauft sich (4 aus 18) Fertigkeiten, (0 bis 3) Talente und (1 bis 4) Aktionen, deren Regeln jeweils auf den Karten stehen (oder die man eben auf den Charakterbogen abschreiben kann).
In der Box-Version gibt es sogar 4 kleinen Faltschachteln, in die man alle Karten und Marker eines Charakters zwischen den Spielsitzungen aufbewahren kann. Das Ziel des Systems war, möglich nichts aufschreiben zu müssen und alle Aspekte des Charakters für alle offensichtlich mit Karten und Markern zu visualisieren.
Verletzungen werden z.B ebenfalls durch Karten repräsentiert. Jede Verletzungskarte ist entweder eine einfache Wunde oder, wenn man sie umdreht, ein kritischer Treffer und regelt dann, wie sich die Verletzung auswirkt. Ohne Karten muss man wieder auf eine Tabelle würfeln.
Karrieren (von denen es ~40 gibt - was wenig ist, denn WH 2nd kennt über 100) kann man entweder bis zum Ende durchziehen und dann ein besonderes Talent bekommen oder aber vorher wechseln. Ein Magier muss durch drei Karrieren jeweils bis zum Ende durch. Für Zauber gibt es wieder Aktionskarten. Für Waffen und Rüstungen übrigens auch.
Interessanterweise gibt es auch einen Charakterbogen für die Gruppe. Dort kann sie z.B. Stress ansammeln und hat gemeinsam zu nutzende Schicksalspunkte und besondere Talente, Manöver oder Aktionen. Alle Spieler müssen sich auf einen “Gruppencharakter” einigen.
Kampf ist schnell und tödlich. Mehr als 2-3 Treffer hält ein Charakter nicht aus und Wunden heilen langsam. Entgegen des Namens ist Warhammer kein kampfbetontes Rollenspiel. Dafür ist geistige Stabilität ein Charakteristikum und Irrsinn, Krankheiten und Mutationen gefährden den Charakter.
Initiative regelt, ob die Gruppe oder die Monster zuerst dran sind. Die Reihenfolge der Charaktere können die Spieler als Taktik absprechen. Pro Runde kann man dann ein Manöver und eine Aktion machen, also z.B. sich einem Gegner nähern und angreifen. Weitere Manöver oder Aktionen kosten Erschöpfungspunkte. Es gibt keine Regeln für Bodenpläne, sondern abstrakte Reichweiten, wo regeltechnisch nur wichtig ist, ob am im Nahkampf, nahe oder weit entfernt ist. Es ist wie gesagt ein Erzählspiel, keine Kampfsimulation.
Zum Zaubern müssen Magier die Magie der Umgebung in sich sammeln, um sie dann in einen Spruch zu verwandeln. Verliert der Magier die Kontrolle, entweicht alle Magie unkontrolliert, was möglicherweise Wunden, in jedem Fall aber Erschöpfung verursacht. Dann kann ein Zauberspruch gewirkt werden. Jeder Spruch hat eine Abklingzeit. Misslingt der Spruch, definiert eine “Misscast”-Karte (oder ein Würfelwurf) den Effekt. Vielleicht ist der Zauberer eine Runde lang gelähmt, wird zeitweilig irrsinnig oder bekommt eine Wunde.
Wer kein Ordensmagier ist, sondern ein wilder Zauberer, hat Zugriff auf mächtigere Magie, wird aber vom Imperium als Hexer gejagt, denn er spielt mit dem Feuer, respektive Chaos. Schon das Studieren von Magie kann ernsthafte Nebenwirkungen zeigen.
Priester funktionieren ähnlich wie Zauberer, doch hier fordert man mit Hilfe von Gebeten Gefälligkeiten von seinem Gott. Habe ich mir noch nicht durchgelesen. Sigmar ist jedenfalls der Hauptgott des Imperiums und seine Kriegspriester sind weit gefürchtet. Die Aufgabe der Priester ist der Kampf gegen das allgegenwärtige Chaos und den führen sie erbarmungslos. Per Definitionem sind sie die guten, doch das ist nicht immer so klar.
Nett finde ich auch die Idee, dass ein Charakter eher vorsichtig oder waghalsig handeln kann. Das beeinflusst die Wirkung jeder Aktion, denn die Karten haben je eine Seite für vorsichtig und eine für waghalsig. Wer mehr wagt, kann mehr erreichen, aber auch eher scheitern. Der Apotheker kann z.B. bis zu drei grüne Würfel über vorsichtiges Handeln, der Trolltöter drei rote Würfel für waghalsige Aktionen aufbauen.
In den 25 Jahren hat sich zu WH sehr viel Hintergrund angesammelt. Die Welt ist deutlich größer als das Imperium und gerade die Echsenmenschen in der neuen Welt (mit aztekischer Kultur) finde ich ja durchaus spannend. Ich meine verstanden zu haben, dass sie die Zeit seit der zweiten Auflage ein bisschen weiter gedreht haben, aber das meiste Material sollte noch funktionieren. Das gilt für die “legendäre” sechsteilige Kampagne “The Enemy Within” aus der ersten Auflage. Fans schwärmen auch von einem typisch englischen schwarzen Humor, der sich durch viele Abenteuer zieht, aber das liegt wohl im Auge des Betrachters. Sagte man auch bei dem Savage Worlds Setting Sundered Skies und da war ich jetzt auch nicht so beeindruckt.
Dennoch konnte ich nicht widerstehen, als sich die Gelegenheit bot, “den inneren Feind” als dreibändige deutsche Ausgabe (noch für die erste Auflage) relativ günstig zu ersteigern.
Wo ich ein bisschen skeptisch bin, ist die stete Erweiterung der Regeln durch neue Karten in jedem Supplement, was immer eine Box ist. Man kann diese zwar z.B. bei DriveTruPRG für kleines Geld bekommen, bekommt aber gerade nicht den Regelteil, sondern “nur” den Fluff. Kampf zu Pferde gibt es so z.B. offiziell erst in der Box “Omens of War”, nicht schon im Grundregelwerk. Auch ist das Grundregelwerk erst einmal nur für Charaktere in den ersten drei Karrieren gedacht und davon gibt es im Vergleich zur 2. Auflage gerade mal 1/4 und ein Buch für hochstufige Charaktere ist erst angekündigt. Aber das wäre für den Anfang wohl egal.
Was das Grundregelwerk angeht, ist es noch relativ einfach: Etwa 100 Seiten beschreiben die Grundprinzipien. 40 Seiten den Hintergrund. Weitere 140 Seiten sind dann den Texten der Karten gewidmet, die man sich ohne Karten dann jeweils passend abschreiben müsste - oder eine App hat, die man noch schnell einmal schreiben müsste :)
Im Söhne Sigmars Podcast gab es die Kritik, dass erfahrene Charaktere dann doch 10-15 Würfel für einen Wurf zusammen bekommen. Diese auszuwerten wäre schon aufwendiger, jedenfalls, wenn man echte Würfel benutzt und keine App, die zudem den Vorteil hat, dass man immer genug Würfel von jeder Sorte hat. Doch macht das Würfeln dann noch Spaß?
Auch das Abklingen von Zaubern wäre umständlicher als z.B. bei D&D, wo man die Karten einfach umdreht, da die Powers dort 1x pro Kampf oder Tag gelten. Bei Warhammer muss man Marker verteilen und davon dann wieder jede Kampfrunde welche entfernen. Zudem darf sich da der SL auch noch einmischen. Man muss recht viel vor sich offen liegen haben.
Aus einem Ingame-Joke, der sich mir nicht erschließt, hat übrigens einzig der Rattenfänger einen kleinen (aber gefährlichen) Hund dabei, für den es zwei Seiten Sonderregeln gibt. Ist aber niedlich. Der Hund gibt einem z.B. einen Bonus für Wahrnehmungswürfe und lenkt im Kampf einen Gegner ab.
Theoretisch kann man und praktisch sollte man wohl inspiriert durch die vorhandenen Karten sich selbst neue Talente, Manöver und Aktionen ausdenken. Diese kann man dann, wenn man mit Karten spielt, aber nicht in der selben Form präsentieren, was wieder gegen die Karten spricht.
Ich bin also unentschlossen und könnte mir vorstellen, dass es dann letztlich doch einfacher ist, auf die Regeln der zweiten Edition zurückzugreifen. Diese sind klassischer und langweiliger, aber eben auch einfacher und ohne Zusatzmaterial zu spielen.