D&D Next "durchgeblättert" Bearbeiten

Nun habe auch ich mir mal D&D Next (DNDN) besorgt und einige hundert Seiten in Form von einem Dutzend PDFs “durchgeblättert”. Die Aufmachung ist wenig ansprechend. Einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul und schließlich habe ich’s kostenlos bekommen, aber eigentlich will WotC ja auch etwas von mir und ein paar Grafiken und ein ansprechenderes Layout hätten diese Feedback-Bereitschaft erhöht.

24 Seiten beschreiben ausführlicher als ich es bräuchte, wie man DNDN spielt. Dazu kommen noch einmal so viele Seiten für den Spielleiter. Ich verstehe und begrüße aber den Anspruch, dass das Spiel auch von blutigen Anfängern verstanden werden soll.

Ein Charakter hat die klassischen 6 Attribute aus denen mit floor((value-10)/2) ein Modifikator abgeleitet wird, mit dem man einen W20 modifiert, wo “hoch ist besser” gilt. Wann immer es angeraten scheint, dem Charakter eine Probe abzuverlangen, wird 1 W20 + Attributmodifikator gewürfelt. Die Regeln machen Vorschläge, welches Attribut in welcher Situation passt. Aus Gründen der Spielbalance fände ich gut, wenn alle Attribute gleich wichtig wären. Ohne das im Detail geprüft zu haben, scheinen mir die physischen Attribute wichtiger als die psychischen/sozialen.

Statt situationsabhängiger Modifikatoren kann ein Charakter, der einen “Vorteil” hat, den besseren Wert von 2 W20 wählen und ein Charakter, der einen “Nachteil” erleidet, muss den schlechteren Wert von 2 W20 nehmen.

Der Erwartungswert, eine 10 zu würfeln, verschiebt sich dadurch von 55% auf 79% bzw. sinkt auf 30%. Für eine 15 ist das 30%, 51% und 9%. Für eine 20 5%, 10% und 0% (alle Zahlen sind gerundet). Somit entspricht das bei 10 und 15 ungefähr einem Modifikator von +-5 und bei 20 einem Bonus von +1 und einem Abzug von “unendlich”. Wer’s nicht kann, profitiert kaum und leidet extrem, wer’s kann, hat einen soliden Bonus, bekommt aber auch einen großen Malus. Simpel, aber es könnte funktionieren und simpel ist gut.

Im Kampf ist jeder einmal je nach Initiative (die ausschließlich Charaktere mit hoher Geschicklichkeit bevorzugt) dran und kann eine Aktion machen. Das ist so unspannend wie es klingt, denn Sturmangriffe, Rundumschläge, wilde Angriffe, Verteidigung, Entwaffnen und ähnliches ist keine Standardaktion, sondern steht nur Charakteren zur Verfügung, die das gelernt haben. Das ist schade, denn damit ist der Kampf ein einfaches Ping-Pong in Treffen und (nicht) getroffen werden. Ich hätte begrüßt, wenn jeder theoretisch alles kann, aber eben nicht gut.

Das alte D&D scheint IMHO auch durch, wenn es darum geht, 13 verschiedene Schadenarten zu unterscheiden oder 11 verschiedene Zustände wie betäubt oder gelähmt. Braucht man hier wirklich diese Detailtiefe?

Zauberei ist auch wie immer. Den meisten gefällt es wahrscheinlich so, ich finde es nicht so toll, dass ein Magier oder Priester in der ersten Stufe mit ein oder zwei Sprüchen pro Tag auskommen muss und erst in höheren Stufen “rockt”. Insgesamt gibt es 50 Seiten mit Zaubersprüchen.

Interessant finde ich wieder die Idee, dass Fertigkeit eigentlich nur Spezialisierungen sind, von denen man sich 4 aussuchen kann und wo man dann zu seinem W20 noch 1W6 (in höheren Stufen mehr) addieren kann. Und auch die Fertigkeitswürfel lassen sich mit der “Vorteils”-Regel kombinieren.

Auch die Idee der “Backgrounds”, die den starren Klassen, auf die DNDN natürlich nicht verzichten will, etwas aufweichen und gleichzeitig die Charaktererschaffung beschleunigen, weil man eine Empfehlung für Fertigkeiten und Fähigkeiten bekommt, ist interessant. Doch kann ich jetzt einen Charakter der Klasse Kleriker haben, der Ritter ist? Ich hätte es schöner gefunden, wenn beide Konzepte wirklich orthogonal wären, was aber wahrscheinlich bedeutet hätte, sich von den klassischen Klassen zu trennen und das wollte man nicht.

Die Regeln kommen mit 90 nicht immer vollen Seiten voll Monstern. Diese sind im Vergleich zur Vorversion angenehm kurz beschrieben und zählen Trefferpunkte, Rüstungsklasse, Attribute und die speziellen Aktionen, die ein Monster durchführen kann, auf. Aktionen sind glaube ich der neue Name für “Powers” denn auch sie können einmal pro Tag, einmal pro Begegnung oder immer, wenn man eine bestimmte Zahl auf einem W6 erreicht, eingesetzt werden. Während man sich ersteres noch merken kann, macht das ständige Würfeln es dem Spielleiter nicht einfacher. Erst wollte ich schreiben, dass hier wieder Brettspielregeln durchscheinen, aber eigentlich sind es nur künstliche Regeln zur Spielbalance und da jeder auch die hanebüchenen Erklärungen (wenn überhaupt) akzeptiert, warum ein Zauberkundiger nur bestimmte Waffen oder Rüstungen benutzen kann, dann möge er auch akzeptieren, dass der Orkhäuptling nur einmal pro Tag einen Schlachtruf ausstoßen kann.

In Regeln schwelgt dann der Abschnitt über “Specialties & Feats”. Hier wimmelt es von Voraussetzungen und Bedingungen und klein-klein Regeln, was denn nun genau ein “Bull Rush” oder “Cleave” ist. Ich würde vermuten, dass dieses Kapitel in den finalen Regeln auf mehr als die jetzigen 14 Seiten anschwillt.

Schaue ich mir die Beispielcharaktere an (die nicht für nötig befunden wurden, auf Charakterbögen ausdruckfertig beizulegen, sondern deren Werte man selbst übertragen muss) sind diese zumindest in der ersten Stufe einfach genug beschrieben. Ich denke, man könnte hier in wenigen Minuten ins Spiel einsteigen, was ich als Pluspunkt ansehe.

Wirklich durchdacht sind “Background” IMHO aber auch noch nicht. Bei “Ritter” steht, dass man typischerweise eine Lanze hat, ein Streitross und alles, was man sich eben bei einem hochmittelalterlichen Klischee-Ritter vorstellt. Nun ist aber bei den Beispielcharakteren ausgerechnet der Zwergenkrieger ein Ritter und ich habe so meine Schwierigkeiten, ihn mir mit Lanze und hoch zu Ross vorzustellen. Hier ist denke ich gemeint, dass er in irgendeiner Form adlig ist, aber wenn Ritter so beliebig ist, warum denn dies als Hintergrund explizit vorstellen?

Fazit: Noch finde ich die Regeln recht handlich und könnte mir vorstellen, dass sie sich auch schnell spielen lassen. In wie weit das ganze noch wächst, weiß ich nicht, aber mehr würde es in meinen Augen nicht unbedingt besser machen.